Vermischtes

Wieviel Sternlein sehen ... - Verlust der Nacht - Citizen-Science-Projekt

Bürger erforschen Lichtverschmutzung


Stadt (Quelle: photovision, pixabay.com, CC0 Public Domain)
GDN - Mit Hilfe einer kostenlosen App und vielen Freiwilligen untersucht der interdisziplinäre Forschungsverbund Lichtverschmutzung, wie stark künstliche Beleuchtung unsere Sicht auf den Himmel beeinträchtigt. Mitmachen können alle, die ein Smartphone und nachts ein paar Minuten Zeit haben.

Dabei kommt es nicht darauf an, jede Nacht zu arbeiten. Hin und wieder eine Messung zu absolvieren, reicht völig aus.

Wer schon einmal im Outback Australiens oder in den Wüsten Colorados war, weiß vielleicht, was ein Sternenhimmel bei vollständiger Dunkelheit ist. In Europa gibt es kaum noch Gegenden, die einen unverhüllten Blick auf das nächtliche Funkeln ermöglichen. Statt dessen bekommen besonders dunkle Regionen Titel wie Dark Sky Reserve.
Ein Reservat der Nacht ist zum Beispiel der Naturpark Westhavelland in Brandenburg. Sternenparks sind inzwischsn Touristenattraktionen und gefährden sich damit zwangsläufig selbst. Auch in den kleineren Städten gibt es praktisch keine Chance mehr, die Schönheiten der Milchstrasse, von Sternenhaufen wie den Plejaden oder Gebilden wie den Orionnebel zu sehen.
Doch wie stark ist Lichtsmog? Welche Möglichkeiten gibt es, Basisdaten zu erhälten, um diese Frage zu beantworten? Viel Geld wird in diese Forschung nicht investiert. Deswegen entwickelt sich hier ein weiteres Feld für eine einfache Form der Citizen Science, einer Art Bürgerbeteiligung an der Forschung.

Der Forschungsverbund Lichtverschmutzung, an dem Biologen, Ökologen, Gesellschaftswissenschaftler und natürlich Astronomen von neun deutschen Forschungseinrichtungen beteiligt sind, hat eine App entwickelt, mit der es Smartphonenutzern möglich ist, zur Messung beizutragen. Sie basiert auf der App es globalen Projektes Globe at Night, zur Messung der Strahlung in der Atmosphäre.
Die App ist kostenlos für Android- und IOS-Geräte erhältlich. Ihre Bedienung ist simpel, eine Messreihe dauert kaum länger als zehn Minuten. Die App gibt einen Stern vor, der gefunden werden muss. Eingetragen wird, ob er mit bloßem Auge (Brillen und Kontaktlinsen sind natürlich kein Hindernis) sichtbar ist oder nicht und warum sowie, wie deutlich er erkennbar ist. Dies wird einige Male mit verschiedenen Sternen unterschiedlicher Helligkeit wiederholt. Wer will, kann einige zusätzliche Messungen vornehmen, um das Ergebnis zu konkretisieren. Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, ob diese Messung täglich am selben Platz gemacht wird oder unregelmäßig, wenn man mal Lust darauf hat und es gerade nacht ist.
Wie Lichtsmog entsteht
Der Grund dafür, dass wir tagsüber ohne technische Hilfsmittel keine Sterne sehen, ist die Streuung des Sonnenlichts in der Atmosphäre. Die Streuung macht den Himmel blau und sorgt für Morgen- und Abendrot. In früheren Zeiten konnten allein Staubstürme in den Wüsten, Vulkanausbrüche oder grosse Waldbrände die Rotfärbung des Himmels beeinflussen. Inzwischen ist natürliches Dämmerungsrot kaum noch möglich. Zu hoch ist die Belastung der Atmosphäre mit Partikeln aus menschengemachten Abfällen.
Strahlen Siedlungen, Industrie- und Verkehrsanlagen nachts Licht ab, bricht sich diese Strahlung genauso an den natürlichen oder künstlichen Partikeln in der Luft und wird teilweise zur Erde zurückgeworfen. Ähnlich wie tags durch das Sonnenlicht wird nachts durch das künstliche Licht die viel schwächere Strahlung der Sterne zunehmend überdeckt. Luftverschmutzung verstärkt den Effekt zusätzlich.
Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Sichtbarkeit der Sterne. Hellichkeit in den Städten stört in vielfältiger Weise nahezu alle Lebewesen. Sichtbarstes Beispiel sind die Insekten, die sich von den Lampen nicht losreißen können. Auch Menschen werden massiv beeinträchtigt.

Andererseits hat künstliches Licht eine Reihe von Vorteilen. Strassenlampen verstärken das Gefühl von Sicherheit. Kein Fahrzeug kommt im Dunkeln ohne Beleuchtung aus. Vermutlich nutzt nächtliche Ladenbeleuchtung dem Einzelhandel, auf jeden Fall jedoch der Werbeindustrie. Licht ist immer noch Statussymbol. Orte, die sich keine Strassenbeleuchtung leisten, gelten nicht als umweltfreundlich, sondern als arm.
Lichtsmog kaum politisches Thema
Politische Bewegungen gegen Lichtverschmutzung sind marginalisiert und in Deutschland kaum wirksam. Meist berufen sie sich auf gesundheitliche Effekte. Europäische Nachbarn, wie Tschechien oder Großbritannien, sind einige Schritte weiter. Eine politische Bewegung für Lichtverschmutzung gibt es nicht. Sie wird wie jede Umweltschädigung billigend in Kauf genommen. Das macht den politischen Kampf dagegen schwierig, da es keinen direkten Gegner gibt, sondern Menschen überzeugt werden müssen, etwas das für Wohlstand und Fortschritt gehalten wird, anders zu organisieren.
Die International DarkSky Association hat eine Reihe sehr simpler Vorschläge erarbeitet, die sich leicht umsetzen lassen. Selbst für Privatpersonen ist es kaum Aufwand, für ein bisschen mehr Dunkelheit am Himmel zu sorgen.

Letztlich geht es darum, die Relevanz des Themas zu verstehen. Mit dem “New World Atlas of Artificial Night Sky Brightness“ dokumentiert seit 2016 ein Atlas den wie künstliche Beleuchtung den Nachthimmel global erhellt. Zusammengestellt hat ihn ein internationales Team, darunter Christopher Kyba vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ. Doch um lokale Situation zu verstehen, sind Projekte, wie "Verlust der Nacht" von immenser Bedeutung. Und Citizen Science absolute Notwendigkeit.
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.