Vermischtes
NSU-Prozess: Gutachten legt Sicherungsverwahrung für Beate Z. nahe
Saß nimmt darin im Auftrag des Münchener Oberlandesgerichts Stellung zu Fragen einer eventuell weiter bestehenden Gefährlichkeit der Angeklagten. Saß bietet zwei Szenarien an, über die das Gericht zu entscheiden habe. Dabei legt er nahe, dass er am ersten Szenario, das auf schriftlich formulierten Angaben von Z. fußt, starke Zweifel hegt. Darin weist sie eine Mitverantwortung für Planung und Ausführung der NSU-Morde zurück. Diese seien ohne ihr Wissen und ohne ihre Zustimmung verübt worden. Sie habe den Männern lediglich einen häuslichen Rahmen und einen familienähnlichen Rückhalt verschafft. Nur die Brandlegung in der letzten Wohnung der drei in Zwickau gehe auf ihr Konto; sie sei aber auf Wunsch der beiden Uwes erfolgt. Saß verweist auf eine Vielzahl von Widersprüchen zwischen der Selbstdarstellung von Z. und Aussagen von Zeugen, die die Angeklagte überwiegend als selbstbestimmt, entschieden und energisch handelnd beschrieben - und nicht als resigniert, niedergedrückt oder mit inneren Konflikten ringend. Nicht stimmig erscheint Saß auch ihre Darstellung, wonach die beiden Uwes ihre Situation und ihre Zukunftsaussichten als durchweg desolat angesehen hätten. Er verweist auf die Ostsee-Urlaube des NSU-Trios sowie sportliche Aktivitäten der beiden Männer. Aus dem Gutachten geht hervor, dass Saß eher von dem zweiten Szenario überzeugt ist, das der Darstellung der Anklageschrift folgt. Folgt das Gericht dieser Auffassung, läge eine Sicherungsverwahrung für Z. nahe. Demnach ist Z. über die Vorgänge informiert und aktiv in Planungen, Vorbereitungen und möglicherweise auch in die Nachbereitung der Taten involviert gewesen. Es wäre dann von einer Akzeptanz und einem Mittragen des rechtsextremen Gedankenguts auszugehen, so Saß. Dies würde eine ganz andere kriminelle Energie bedeuten als nur ein widerwilliges Mitmachen aus emotionaler Abhängigkeit wie in Szenario eins. Denn dann wäre bei Z. von einem tief eingeschliffenen Verhalten auszugehen. Saß zählt in diesem Zusammenhang eine Reihe von Anhaltspunkten auf: etwa ihre Delinquenz in den Jahren vor dem Abtauchen in die Illegalität, ihre frühe Bereitschaft zu militanten rechtsradikalen, auch antisemitischen Aktionen und vor allem die enge und lange Gemeinschaft mit Uwe B. und Uwe M., die sich über jegliche Norm menschlichen Zusammenlebens hinwegsetzten. Für die Zeit der Hauptverhandlung nennt Saß Beobachtungen, die kaum auf eine tiefe Erschütterung der Angeklagten angesichts der verübten Taten und deren Folgen schließen ließen - oder auf eine Abkehr von der rechtsextremen Szene. Sollte er auf Geheiß des Gerichts die Version zwei seinem Gutachten zugrunde legen müssen, schreibt Saß, wäre wohl von einem "Hang" zu Straftaten zu sprechen. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit müsse dann bei ihr mit einer Fortsetzung ähnlicher Verhaltensweisen auch in Zukunft gerechnet werden. Schließlich gebe es dann weiterhin eine potenzielle Unterstützerszene für rechtsradikale Gesinnungsdelikte. Sehr skeptisch äußert sich Saß zu einem möglichen Erfolg einer Behandlung von Z. während der Haft. Er sieht zwar die Möglichkeit, in einer langjährigen Gesprächstherapie eventuelle Veränderungen zu erzielen, falls Z. sich von ihren politisch-ideologischen Vorstellungen zu lösen bereit sei. Sie sei intelligent genug, und soziale Kompetenz besitze sie vermutlich auch. Dem stehe aber entgegen, dass früh abweichendes Verhalten, wenn es sich über fast zwei Jahrzehnte fortgesetzt habe, meist tief in der Persönlichkeit verankert sei. Außerdem gebe es in der Haft kaum Frauen wie Z. mit ihrer speziellen Entwicklung und ihrer Einstellung, denen vergleichbare Taten vorgeworfen werden. Gleichwohl schreibt Saß: Von vornherein aussichtslos erschienen ihm Bemühungen in dieser Richtung nicht.
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