Kultur
Christina Weiser erhält Volksbühne-Preis
Die Schauspielerin im Gespräch
(Quelle: N.Klinger)
Ich habe Christina Weiser die Wahl des Ortes, an dem unser Interview stattfinden soll, überlassen und sie hat sich für das Café “Neu“ in Kassel entschieden, wo wir uns zur Mittagszeit treffen. Auf meine Frage, ob diese Wahl zufällig oder aus praktischen Gründen erfolgt sei oder ob es sich um einen Ort handele, an dem man die Schauspielerin häufiger antreffen könne, bestätigt mir Christina Weiser, dass sie oft und gerne hier sei. “Der Kuchen ist super und das Essen ist allgemein sehr lecker. Ich mag das Café, weil es ein schöner urbaner Ort ist. Künstler präsentieren hier ihre Bilder, es gibt ein Programm mit Konzerten, durch die großen Fenster ist es immer sehr hell und man hat ein bisschen das Gefühl in einer Großstadt zu sein.“
Christine Weiser ist zwar in einer Großstadt, in Frankfurt am Main, geboren, doch aufgewachsen “in einem Dreitausendseelendorf zwischen Frankfurt und Friedberg.“
Auf ihren Wunsch, den Beruf der Schauspielerei einzuschlagen, angesprochen schildert Christina Weiser: “Naja“¦ das war schon ein bisschen kompliziert und verlief nicht ganz zielstrebig. Ursprünglich wollte ich nach dem Abitur Psychologie studieren und habe sechs Wochen in Gießen in der geschlossenen Psychiatrie gearbeitet. Das war sehr hart und nach den sechs Wochen war ich nicht nur psychisch am Ende, sondern auch körperlich richtig krank. Obwohl ich es einerseits wirklich gerne gemacht hätte, habe ich mich doch ganz bewusst gegen das Studium entschieden.“
Auf ihren Wunsch, den Beruf der Schauspielerei einzuschlagen, angesprochen schildert Christina Weiser: “Naja“¦ das war schon ein bisschen kompliziert und verlief nicht ganz zielstrebig. Ursprünglich wollte ich nach dem Abitur Psychologie studieren und habe sechs Wochen in Gießen in der geschlossenen Psychiatrie gearbeitet. Das war sehr hart und nach den sechs Wochen war ich nicht nur psychisch am Ende, sondern auch körperlich richtig krank. Obwohl ich es einerseits wirklich gerne gemacht hätte, habe ich mich doch ganz bewusst gegen das Studium entschieden.“
Ich frage die Schauspielerin, ob sie im Rückblick eine Verbindung zwischen ihrem ursprünglichen Berufswunsch und ihrer jetzigen Tätigkeit sieht, was sie deutlich bejaht. “Da gibt es auf jeden Fall eine Verbindung zur Schauspielerei, weil es sowohl beim Schauspiel als auch bei der Psychologie um Einfühlung geht und ich glaube, dass ich schon diese Gabe habe, mich in Dinge gut hineinfühlen zu können.“
Doch einige Umwege sollten noch erfolgen, bis Christina Weiser zu ihrem jetzigen Metier gefunden hat. “Dann wollte ich Musik studieren“, erinnert sie sich. “Ich habe intensiv Querflöte gespielt, war mir aber nicht sicher, ob es wirklich für ein Studium reicht und außerdem ist Musik auch ein tolles Hobby, das einfach viel Spaß macht. Da ich mich auch sehr für Literatur interessiert habe, habe ich dann in Frankfurt angefangen Germanistik und Theaterwissenschaften zu studieren und bin in der Zeit auch oft ins Theater gegangen.“
Auf die Frage, welche Rolle Theater bis zu diesem Moment in ihrem Leben gespielt hat, verrät Christina Weiser: “Theater hat bis dahin gar keine große Rolle in meinem Leben gespielt. Da gab es lange Zeit wenig Berührung. Meine Eltern hatten damit auch gar nichts zu tun und die hätten sich auch eher gewünscht, dass ich Physiotherapeutin werde.“
Doch wie ist ein solch enger Kontakt zum Theater entstanden, dass daraus gar ein Berufswunsch erwachsen konnte? “Da lief vieles über den Freundeskreis“, erinnert sie sich. “Ein Freund von mir hat in einem kleinen Theater ein Stück inszeniert und dabei habe ich mitgemacht. Ab dem Moment habe ich überhaupt erst angefangen an so was wie Schauspielerei und Schauspielschule zu denken.“
Christina Weiser schildert mir ihren weiteren Werdegang. “Ich habe in Frankfurt die Schauspielschule besucht und bin dann nach dem Abschluss an ein kleines Theater nach Heilbronn gegangen.“ Schmunzelnd und kopfschüttelnd erinnert sie sich: “Da hatten wir bis zu vier Vorstellungen täglich “¦ also wenn man das überstanden hat, hatte man echt ein bisschen Theatererfahrung. Dann bin ich für ein Jahr nach Berlin gegangen, wo ich Thomas Bockelmann, meinen jetzigen Ehemann, kennengelernt habe, anschließend ein Jahr an die Landesbühne Wilhelmshaven und danach bin ich mit Thomas zu den Städtischen Bühnen Münster gewechselt, wo ich viele große Rollen, wie Antigone, Minna von Barnhelm oder den Hamlet, gespielt habe.“
Seit mittlerweile elf Jahren ist Christina Weiser am Staatstheater Kassel, wo ihr Mann zeitgleich die Intendanz und das Amt des Schauspieldirektors übernommen hat, als festes Mitglied des Ensembles engagiert. “Das war für uns damals sehr reizvoll, weil Kassel einfach ein gutes Theater ist, ein toll organisiertes Haus. Egal ob Bühne, die Techniker“¦ hier arbeiten wirklich gute Leute und es gibt immer wieder richtig gute Aufführungen. Dieses Jahr sind wir sogar zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen worden. Das hat mich total gefreut.“
Ich möchte von Christina Weiser wissen, ob Sie, auch vor dem Hintergrund ihrer bisherigen Theatererfahrungen, weitere Besonderheiten am Staatstheater Kassel wahrnimmt. “Ich empfinde das Ensemble als sehr homogen und harmonisch. Die Stimmung am ganzen Haus ist einfach sehr angenehm, offen und kollegial. Das bestätigen uns auch immer wieder Gastschauspieler, die an unser Haus kommen. Es gibt in Kassel keine Gruppen, keine Regisseure, die bestimmte Leute um sich scharen.“
Mich interessiert wie die neue Umgebung, auch außerhalb des Theaters, in den Anfangsjahren auf sie gewirkt hat. “Also von der Stadt her war es zunächst schon ein Umbruch, weil Münster sehr anheimelnd ist und im Geld schwimmt. Aber in Kassel hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert und verbessert. Die Arbeitslosigkeit ist enorm gesunken und das merkt man der Stadt und der Stimmung auch an. Der Bergpark ist zum Weltkulturerbe ernannt worden, die Documenta gibt es ja ohnehin. Ich habe den Eindruck, dass sich Kassel immer mehr zu einem Zentrum entwickelt.“
Ich erkundige mich nach ihren Lieblingsorten in Kassel. “Es gibt hier schöne Orte, an denen ich gerne bin. Ich mag den Bergpark sehr gerne oder die Orangerie. Das neue Restaurant Voit ist toll oder das Il Teatro, wo ich fast jeden Abend bin. Im Sommer gehe ich sehr gerne an der Buga schwimmen und einer meiner absoluten Lieblingsorte in der Region ist die Sababurg.“
Ich frage Christina Weiser welche Rollen, die sie in Kassel bislang gespielt hat, ihr besonders in Erinnerung geblieben sind. “Eines meiner Lieblingsstücke ist GIFT. Das ist so ein tolles Stück, auch wenn es traurig ist. Es geht um ein Paar, das ein gemeinsames Kind verloren hat. Zehn Jahre nach der Trennung begegnen die beiden sich auf dem Friedhof und kommen ins Gespräch. Das habe ich wirklich gerne gespielt.“
“Dann die Jeanne in JOHANNA AUF DEM SCHEITERHAUFEN von Paul Claudel - das ist eine echte Traumrolle, die ich zum Glück bald noch einmal in Lüneburg spielen darf. Meine Rolle in DREI MAL LEBEN von Yasmina Reza ist auch toll, weil Texte von Yasmina Reza zu spielen immer extrem viel Spaß macht. Man kann komisch und tragisch gleichzeitig sein. Das ist echtes Spielen und das Publikum lacht. Das macht einfach Spaß.“
Wir sprechen über weitere Rollen, in denen auch ich Christina Weiser auf der Bühne erlebt habe und sind uns einig, dass die Aufführung von DER NACKTE WAHNSINN, bei der sie die Haushälterin Christina gespielt hat, uns noch lebhaft in Erinnerung geblieben ist. “Oh ja - das war ein echter Knüller und eine richtig gute Aufführung.“ Jeder der das turbulente, extrem temporeiche Stück gesehen hat, ahnt welch akribische Arbeit hinter solch einer Inszenierung stecken muss, was Christina Weiser augenblicklich bestätigt. “Das Timing bei dem Stück ist extrem schwierig und die Erarbeitung war schon sehr hart. Die Proben waren auf jeden Fall nicht so lustig wie das Stück - Pointen sind generell harte Arbeit -, aber es hat sich ausgezahlt.“
Trotz intensiver Proben kann ich mir gut vorstellen, dass es bei dieser Produktion, aufgrund des hohen Tempos und der Fülle an Requisiten, die sich stets im richtigen Moment am richtigen Ort befinden müssen, auch gelegentlich zu Pannen gekommen ist. Auch das bejaht Christina Weiser augenblicklich. “Oh ja, da ist ganz oft etwas schief gegangen“¦ Sie ahnen nicht, was da manchmal hinter der Bühne abgegangen ist“¦ Ich sage ihnen - wenn man einmal den “Nackten Wahnsinn“ gespielt hat, dann weiß man wie es läuft und man kapiert, dass es die nackte Wahrheit ist, die da gezeigt wird. Da ist jeder Satz eine Wahrheit und ein geflügeltes Wort.“
Mehrfach hat Christina Weiser in den vergangenen Spielzeiten in Stücken, bei denen ihr Mann Regie geführt hat, mitgewirkt, was für sie mittlerweile keine Besonderheit mehr sei. “Wir kennen uns so lange und sind jetzt bereits seit elf Jahren in Kassel“¦ da gibt es nicht mehr viele Projektionen auf solche Dinge. Das war als ich jünger war vielleicht noch schwieriger, weil man da Angriffen noch mehr ausgesetzt ist, aber ich empfinde meine Position im Ensemble hier in Kassel als recht entspannt.“ Auch gäbe es nicht die Gefahr, dass im Falle einer solch engen Zusammenarbeit Themen aus dem Berufsalltag sich zu sehr mit dem Privaten vermischen. “Wir reden zu Hause gar nicht so viel über die Arbeit.“
Bereits vor einigen Wochen hat Christina Weiser durch einen für sie völlig unerwarteten Anruf davon erfahren, dass sie den VolksBühne-Preis erhalten wird. “Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet und mich total gefreut. Auch gerade weil es ein Publikumspreis ist.“ Die ehrliche Freude ist ihr deutlich anzumerken. “Ich finde es auch so toll, weil ich dieses Jahr in dem Stück LE PASSÉ eine wenig angenehme, zweischneidige Figur gespielt habe und ich war wirklich unsicher wie das beim Publikum ankommt und dass ich dann dafür einen Preis bekommen habe ist einfach toll.“
Christina Weiser betont: “Ich bin mir absolut sicher, dass so etwas keinem Schauspieler egal ist. Zum Schauspielberuf gehört, dass man zweifelt und sich immer wieder befragt und hinterfragt. Jeder freut sich, wenn er nach einer Vorstellung von einem Zuschauer hört, dass es ihm gefallen hat oder über einen Preis. Da spielt es keine Rolle wie lange man schon dabei ist.“
Der Vertrag ihres Mannes als Intendant am Staatstheater Kassel läuft noch bis ins Jahr 2020. Es ist daher davon auszugehen, dass Christina Weiser dem Kasseler Publikum noch für einige Zeit erhalten bleibt. Wie sehr dieses die sympathische Schauspielerin, die auf der Bühne auch die leisen Töne beherrscht, mit ihrer filigranen Spielweise schätzt, hat es mit der Vergabe des VolksBühne-Preises unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
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