Kultur
Kunst- und Ausstellungsprojekt in der Kunsthalle Osnabrück
Maria J. Arjona: You are Splendid!
M.J. Arjona: Flugplan, Kunsthalle Osnabrück, 2016 (Quelle: Angela von Brill)
GDN -
Das Kunstprojekt "You are Splendid!" von der Performance-Künstlerin Maria José Arjona verwandelt die Kunsthalle Osnabrück in ein Forschungslabor zur Erkundung veränderter Flugrouten kolumbianischer Zugvögel. Ausstellung bis 28. März mit wöchentlicher Performance der Künstlerin bis 6. März 2016.
Alles begann 2012 im Central Park in New York, als Maria José Arjona einem sog. “Birdwatcher“ begegnete. Nick stand fast bewegungslos da, schaute in den Himmel und beobachtete die Zugvögel, die auf ihrer Flugroute von Süd- nach Nordamerika im Central Park Halt machten. Die kolumbianische Performancekünstlerin lebte derzeit in New York. Von diesem Tag an entstand ein intensiver Austausch zwischen der Künstlerin und dem Wissenschaftler. Die Begegnung mit dem “Birdwatcher“ vergegenwärtigte ihr, dass sie nicht die einzige Kreatur war, die eigentlich aus dem im tropischen Regenwald stammend, sich fast unsichtbar durch die Straßen New Yorks bewegte. Mit seiner Hilfe identifizierte sie erstmals den “Aguilucho“, den kleinen Adler. Sie war berührt von seinem “Flugplan“ und der Vergleichbarkeit ihrer beider Reiserouten zwischen dem Süden und dem Norden Amerikas.
Der künstlerische Schwerpunkt von Maria José Arjona (*1973, lebt in Bogota/Kolumbien und den USA) liegt auf Langzeit-Praktiken, die das Prozesshafte, die Erinnerung und das physische Vermögen mit künstlerischen Mitteln erforschen. Ihre Performance-Projekte sind in Museen und Galerien in Süd Amerika, Europa, Asien und den USA gezeigt worden, darunter im Museum of Modern Art in New York, wo sie als Performerin der “Reenactments“ im Rahmen der Ausstellung “The Artist is Present“ von und mit Marina Abramović mitwirkte. Ihre Arbeiten fanden Eingang in zahlreiche öffentliche und private Sammlungen in den USA, China, Europa und Südamerika und wurden u. a. in Art Agenda, Art Nexus, Arte Al Dia, der New York Times rezensiert.
Nach der Begegnung mit dem “Birdwatcher“ begab sich Maria José Arjona - mit dem Ziel, dem “Aguilucho“ erneut zu begegnen - auf eine künstlerische Forschungsreise. Sie fand heraus: Aufgrund der extremen Klimaveränderungen in den USA haben die Zugvögel ihre Flugrouten verlegt. Das war letztlich auch der Grund, warum sie den zierlichen Adler mit dem gelben Schnabel im New Yorker Central Park begegnete. 16 Jahre hatte Maria José ihre kolumbianische Heimat nicht besucht, nun wurde sie auf ihrer Rückkehr von einem unsichtbaren Weggefährten begleitet. Dabei lernte sie, auf seine Gegenwart zu vertrauen: Oft hörte sie ihn nur über sich kreisen, ohne ihn zu sehen.
Als Maria José Arjona im kolumbianischen Honda ankam, geschah etwas, dass das sie nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Mit ihrer Ankunft traf auch der “Aguiluchos“ ein: in einer Gruppe. Die Einzelgänger treten ihre anstrengenden Kontinentalflüge stets gemeinsam an. Aus diesen biografischen Zusammenhängen entwickelte sich ein künstlerisches Forschungsprojekt. Der kolumbianischen Kurator Jose Roca, künstlerischer Leiter von FLORA ars+natura in Bogota lud Maria José Arjona ein, aus ihren Beobachtungen ein Ausstellungs- und Performanceprojekt zu entwickeln. So erhielt sie 2014 im Rahmen des Residency Programms des FLORA ars+natura die Möglichkeit, das Projekt “Avistamiento“ (“Sichtungen“) zu realisieren.
Die künstlerischen Forschungen konnten nun im Rahmen einer Kooperation mit dem kolumbianischen Kurator in der Kunsthalle Osnabrück in ein Langzeitprojekt überführt werden. Kuratiert durch Dr. Julia Draganović, die seit 2013 die Kunsthalle leitet und Christel Schulte, die das Vermittlungsprogramm verantwortet, wurde am 31. Januar wurde das Ausstellungs- und Performanceprojekt “You are splendid!“ eröffnet. Es ist die erste europäische, museale Einzelausstellung der Künstlerin, nachdem sie 2009 erstmals Deutschland im Rahmen des Berliner Performancefestivals “In Transit“ besucht hatte.
Auf Einladung der Kunsthalle Osnabrück ist die Künstlerin nun für neun Wochen in der niedersächsischen Stadt. Fast täglich verändert sie ihre Installation in der ehemaligen Dominikaner Kirche. Dabei übersetzt sie ihre persönlichen Geschichten und die all jener Menschen, die sich derzeit durch fremde Länder, Klimazonen und Kulturen bewegen, in Zeichnungen, Installationen, Videos und Performances. Der Titel “You are splendid!“ (dt. “Du bist wunderbar!“) bezieht auch aufklärerische, humboldtsche Deutungszusammenhänge mit ein, erklärt die Kunsthallendirektorin.
Entstanden ist eine flüchtige Phänomenologie der Heimat - aus der Sicht der Zugvögel: Zwei Schaukeln sind im ehemaligen Kirchenschiff installiert und laden den Besucher ein, durch den sakralen Lichtraum zu “fliegen“. Ein raumgreifendes Nestgeflecht aus Baumwollstricken, wechselnde Schattenspiele, Vogelstimmen, Videos und Zeichnungen dokumentieren den künstlerischen Forschungsprozess. Wechselnde Objekte in sich verändernden Installationen. Der aufmerksame Besucher geht immer durch eine neue Ausstellung. Jede Woche endet mit einer neuen Performance. Während der Performance “Flugplan“ am Eröffnungstag (31.1.2016) legte die Künstlerin sieben Stunden lang ihren Kopf in einen Kanarienvogelkäfig. Eine Woche später zeichnete sie während der Performance “Der Zweite Botschafter“ - bekleidet mit einem Federkostüm - mit Tabakrauch ephemere Chiffren in den Kirchenraum.
Während der dritten Performance-Einheit “Leben“ nahm sie auf einem Stuhl Platz, der in acht Meter Höhe im Chorraum über den Fenstern des Kirchenschiffs angebracht war und wurde Teil eines Bildes höchster Spiritualität. Die Termine der wöchentlichen Performance und des “Dienstagssofas“ können der Homepage der Kunsthalle Osnabrück entnommen werden. Die Facebook-Seite der Kunsthalle Osnabrück visualisiert die Aktivität, die dieses Projekt in der Kunsthalle Osnabrück generiert. Maria José Arjona nennt ihr performatives Verfahren “Sichtungen“ (engl. “sighting“, span. “avistamiento“; ihre tumblr-Seite trägt daher den Titel avistamientos.tumblr.com. Die Ausstellung ist noch bis zum 28. März zu sehen. Die letzte Performance findet am 6. März statt. Danach verlässt die Künstlerin wieder Deutschland.
Ermöglicht wird dieses Langzeitprojekt, u.a. durch eine Förderung des ifa-Instituts für Auslandsbeziehungen und durch das CAPP Collaborative Art Partnership Programme, das durch das EU Programm Creative Europe unterstützt wird.
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