Kultur
Betörende Sinnlichkeit und zeitlose Ästhetik
Sweet Mambo am Wuppertaler Opernhaus
Julie Shanahan (Quelle: Oliver Look)
GDN -
In den vergangenen Tagen hatte das Publikum im Wuppertaler Opernhaus die Gelegenheit, das Stück “Sweet Mambo“, eine der letzten Choreografien von Pina Bausch, noch einmal zu erleben. Die Reaktionen der Zuschauer zeigten, dass die Faszination, die Bauschs Werk auslöst, ungebrochen ist.
Ein bedrohliches Unwetter zieht auf. Wolken verdichten sich. Blitze zucken und Donner dröhnt. Aus der Ferne hallt wiederholt ein Hilferuf. Eine Tänzerin läuft mit zunehmender Verzweiflung der Stimme entgegen, womöglich um Hilfe zu leisten, wird aber von zwei Männern immer wieder gepackt und zurückgetragen. Eine Szene die beunruhigt und verängstigt, doch nur Augenblicke später ist das Unwetter vorüber, die Sonne kommt hinter den Wolken hervor und es wird fröhlich getanzt. Welch ein Wechselbad der Gefühle. Dies ist die Welt der Pina Bausch, in deren Choreografien sich unterschwellige Bedrohung, unbeschwerte Heiterkeit, unverhohlene Brutalität und ausgelassene Fröhlichkeit in Sekundenschnelle abwechseln.
Im Verlaufe des Abends lernt der Zuschauer die beteiligten Tänzerinnen und Tänzer näher kennen. Sie stellen sich persönlich vor und erinnern das Publikum im weiteren Verlauf wiederholt an ihre Namen und bringen damit den Wunsch, als Individuum wahrgenommen zu werden, zum Ausdruck. Diesem Bedürfnis entsprechen auch die zahlreichen Solotänze des Abends, die zunächst vorrangig von den Tänzerinnen ausgeführt werden. Für diese hat Marion Cato wunderschöne Kostüme, elegante Satin-Abendkleider in leuchtenden Farben, entworfen.
Auch das von Peter Pabst geschaffene Bühnenbild fasziniert und dies vor allem da es mit vergleichsweise einfachen Mitteln, große Wirkungen zu erzielen vermag. Überdimensionale Vorhänge, die sich von Windmaschinen in Bewegung versetzen lassen, hängen im Bühnenhintergrund von der Decke herab. Wie Seifenblasen oder Wolken schweben sie später hoch über dem Bühnenboden, dienen gar als Tanzpartner und als Leinwände, auf denen ein Schwarz-Weiß-Film aus den 30er Jahren projiziert wird, zu dem die Tänzerinnen in ihren farbigen langen Kleidern einen wunderschönen Kontrast bieten.
Die Musikauswahl ist erstaunlich abwechslungsreich und reicht von entspannten Instrumentalklängen über Melodien aus verschiedenen Jahrzehnten bis hin zu treibenden Technobeats - ein musikalischer Überschwang, der in nahtloser Wiedergabe stetig wechselnde Stimmungen erzeugt. Überschwänglich und ausgelassen wirkt vor allem der erste Teil des Abends, wobei die Tänzerinnen mit ihren zahlreichen anmutigen Soli deutlich im Mittelpunkt stehen.
Am 30. Mai 2008 wurde das Stück “Sweet Mambo“ in Wuppertal uraufgeführt und zählt damit zu einem der letzten Werke der 2009 verstorbenen Pina Bausch. Dass es nach wie vor das Publikum in seinen Bann zieht und begeistert, unterstreicht die Zeitlosigkeit der Gedankenwelt und der ästhetischen Ausdrucksform von Pina Bausch.
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