Kultur
Romantische Liebe trifft auf gesellschaftliche Zwänge
“Kabale und Liebe“ am Staatstheater
(Quelle: N.Klinger)
Ferdinand, Major und Sohn des Präsidenten von Walter, und Luise, die Tochter des Musikers Miller, lieben sich leidenschaftlich. Doch ihre Liebe wird von den Menschen um sie herum zerstört, da individuelle Interessen und das Streben nach gesellschaftlichem Ansehen ihrer Verbindung im Weg stehen. Ferdinands Vater verfolgt das Ziel seinen Sohn mit Lady Milford zu verheiraten, um seinen Einfluss bei Hof zu erweitern. Doch sein aufbrausender und emotionaler Sohn rebelliert, woraufhin Wurm, Sekretär des Präsidenten, eine heimtückische Intrige spinnt, die eine unkontrollierbare Kettenreaktion in Gang setzt.
1784 wurde das von Friedrich Schiller verfasste Drama uraufgeführt. Es gilt als typisches Beispiel des Sturm und Drang, einer literarischen Strömung der Epoche der Aufklärung und zählt zu den bedeutendsten deutschen Theaterstücken. Schiller verarbeitete als wütender junger Mann in dem Text offenkundig auch seine eigenen Unterdrückungserfahrungen an der herzoglichen Militärakademie, an der er Ungerechtigkeit und Fürstenwillkür am eigenen Leib erfahren musste.
Interessant ist vor allem die von Schiller gezeichnete Figurenkonstellation. Zwei gesellschaftlich voneinander abgegrenzte Gruppen stehen sich gegenüber, ohne dass ein schlichtes “Gut gegen Böse-Szenario“ entworfen wird. “Frei und souverän ist in diesem Stück keine Figur.“ (Rüdiger Safranski) Letztlich ist keiner der Akteure in der Lage das Geschehen zu lenken und die hineinbrechende Katastrophe zu verhindern.
Der tiefreligiöse Musiker Miller ist ein aufrechter, selbstbewusster Patriarch, der jedoch im ständischen Denken fest verankert ist und die Verbindung seiner Tochter zu Ferdinand deshalb ablehnt. Seine etwas einfältige und unterwürfige Frau hegt hingegen in Bezug auf die Beziehung ihrer Tochter Aufstiegshoffnungen. Die behütet aufgewachsene Luise pflegt eine enge Beziehung zu ihrem Vater und gerät mit ihrer Liebe zu Ferdinand in den Konflikt, die Erwartungen des Vaters zu enttäuschen. Der intrigante Wurm scheint für Reichtum und Ansehen zu allem bereit und ist skrupellos auf seinen Vorteil bedacht.
Ferdinand ist ein typischer Vertreter des Sturm und Drang. Er ist leidenschaftlich, aufbrausend, enthusiastisch aber auch ein wenig weltfremd, mit der Neigung zur Selbstüberhöhung. Lady Milford nimmt zwischen der höfischen und bürgerlichen Werteordnung eine spannende Mittelstellung ein. Ähnlich wie Ferdinand glaubt sie an die romantische Liebe und ist voller Sehnsucht. Doch genießt sie auch ihre erreichte gesellschaftliche Stellung, besitzt großen Ehrgeiz und strebt nach Ehre und Macht.
Das Verhalten des Präsidenten ist darauf ausgerichtet, seine Stellung bei Hofe zu festigen. Diesem Machtkalkül unterwirft er Menschen, Wertvorstellungen und Gefühle. Liebe betrachtet er als törichte Schwärmerei und steht damit im krassen Gegensatz zu seinem Sohn. Hofmarschall von Kalb ist eine von Präsident von Walter abhängige, geschwätzige Person, die den auf äußeren Schein gerichteten Lebensstil des Hofes personifiziert.
Markus Dietz, Oberspielleiter am Staatstheater Kassel, hat das Stück bildgewaltig inszeniert und Ines Nadler eine beeindruckende Bühne geschaffen, die sich nach vorne und hinten fahren lässt und sich somit im Wechsel von der “kleinen Welt“ der Millers in die “große Welt des Adels“ verwandelt. Die Distanz zwischen diesen beiden Welten ist beträchtlich. Dazwischen tun sich Abgründe und Hindernisse, die der leidenschaftliche Ferdinand mitunter gewaltsam einzureißen versucht, auf. Leider gelingt es der Inszenierung nicht die Distanz zum Publikum gänzlich zu überbrücken. Die Figuren auf der Bühne bleiben über weite Strecken entfernt und deren Schicksal ließ manchen Zuschauer, trotz des hohen emotionalen Identifikationspotenzials, unberührt.
Einigen Zuschauern war auch die oftmals lautstark und gestenreich ausgelebte Emotionalität auf der Bühne zu viel. Als sich Lady Milford vor Verzweiflung ihr Kleid vom Körper zu reißen drohte, wurde dies von einer Dame aus dem Publikum resigniert kommentiert: “Ach nein, jetzt bitte nicht auch noch das.“ Auch beklagten im Anschluss an die Premiere einige Zuschauer, abhängig von ihrem jeweiligen Sitzplatz, die phasenweise schlechte Akustik und mangelnde Verständlichkeit der Schauspieler.
Für den Artikel ist der Verfasser verantwortlich, dem auch das Urheberrecht obliegt. Redaktionelle Inhalte von GDN können auf anderen Webseiten zitiert werden, wenn das Zitat maximal 5% des Gesamt-Textes ausmacht, als solches gekennzeichnet ist und die Quelle benannt (verlinkt) wird.