Kultur

Gyros statt Ahle Wurst - Die Documenta wird griechisch

Adam Szymczyks Documenta 14


Adam Szymcyk, Leiter der Documenta 14 (Quelle: heldmann.photography)
Herkules und Löwenburg im Weltkulturerbe
(Quelle: heldmann.photography)
GDN - Die Documenta gehört zu Kassel wie der Herkules! Wirklich? Der Herkules ist ja eigentlich Grieche, nun wird auch die Documenta griechisch. So jedenfalls klingt das Konzept ihres Leiters Adam Szymczyk, das er jetzt in Kassel skizzierte.
Fridericianum, bisher Zentrum der Documenta
Quelle: heldmann.photography
Mit dieser Ankündigung hat der Leiter der Documenta 14 einige Aufregung, vor allem, aber nicht nur, in Kassel, gesorgt. Bei einer Veranstaltung in der Kasseler Kunsthochschule stellte er diese Woche nicht nur sein Team vor, sondern gab erste Einblicke in sein Konzept der nächsten Weltkunstausstellung. “Geplant ist, dass die documenta 14 im April 2017 in Athen und zwei Monate später, am 10. Juni, in Kassel eröffnet wird“, heißt es in der offiziellen Mitteilung der Documenta 14. Sicher, es hat auch schon bei einigen ihrer Vorläufer internationale Veranstaltungsorte gegeben. Bei Catherine David (Documenta 10) kamen die internationalen Gäste noch zu “100 Tage - 100 Gäste“ noch in die Documentahalle nach Kassel. Fünf Jahre später schaffte Okwui Enwezor die erste wirklich globalisierte Documenta. Bevor die Ausstellung in Kassel eröffnet wurde, hatte es bereits mehrere Plattformen gegeben. Und Carolyn Christov-Bakargiev veranstaltete im zeiotlichen Kontext zur Ausstellung in Kassel Symposien in Kanada und Ägypten. Außerdem gab es eine Achse nach Kabul, wo zwei Installationen als Gegenstück zu solchen in Kassel zu sehen waren. Doch der Leiter der Documenta 14 will etwas anderes, wie er sagte, nämlich “Kassel und die griechische Hauptstadt zu gleichberechtigten Ausstellungsorten machen.“
Beuys´ 7000 Eichen sind in Kassel verwurzelt
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Adam Szymcyk bricht damit gleich mit zwei Prinzipien, die die Documenta seit 1955, als Arnold Bode sie begründetet, auszeichnete: Zum Einen findet sie in Kassel statt, zum Anderen dauert die Ausstellung 100 Tag. Beides soll für die Documenta 14 nicht mehr gelten. “Diese Gastgeberrolle - samt allen Privilegien, die diese mit sich bringt“, so Szymcyk, (ist) “nicht länger haltbar und verlangt förmlich nach einer, wenn auch nur temporären, Infragestellung.“ Und da die Documenta 14 bereits im April 2017 in Athen, ihrem ersten gleichberechtigten Ausstellungsort, eröffnet wird, und die Fortsetzung in Kassel bis September dauern wird, wird erstmals eine Documenta deutlich länger als 100 Tage dauern. “Anstelle eines einzigen Spektakels mit einem festem Ort und einer klaren zeitlichen Struktur, wie sie für internationale Großausstellungen charakteristisch sind, wird die documenta 14 zwei Durchläufe umfassen, die sich zeitlich und räumlich in einem dynamischen Gleichgewicht befinden. “¦ Dies wirkt Vorstellungen von Verwurzelung entgegen und widerspricht der verbreiteten normativen Annahme, dass eine solche Ausstellung nur als eine Einheit von Handlung, Ort und Zeit bestehen kann.“
Wolken oder Sonne über der Documentastadt?
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Was dies konkret bedeutet, ist derzeit noch offen. Szymcyk meint dazu bisher nur, “die an der documenta 14 teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler werden eingeladen, ihre Arbeiten innerhalb der Dynamik zwischen den beiden Städten zu konzipieren und zu produzieren. “¦ Beide Ausstellungen werden als autonome Projekte für diverse markante Standorte in Athen und Kassel entwickelt, wobei sie einander inhaltlich beeinflussen, ohne sich formal zu wiederholen.“ Es wird, was auch zeitlich wegen der geplanten Überschneidung, also wohl keinen «Umzug» der Installationen von Athen nach Kassel geben. Das bedeutet auf der anderen Seite, wer die Documenta insgesamt erleben will, muss sich an beide Orte begeben. Vielleicht freut sich auch deshalb Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen über dieses Konzept (“Dass ein Teil der documenta 14 in Athen stattfinden wird, rückt Kassel zusätzlich in den Fokus der weltweiten Aufmerksamkeit. Wird dadurch doch deutlich, dass wir uns in Kassel auch mit drängenden internationalen Fragen beschäftigen.“) Eine, weniger internationale denn lokale Frage ist, wie der auch von der Stadt Kassel hochsubventionierte Flughafen Kassel-Calden belebt werden kann. Zumindest im Frühjahr 2017 könnte er einen unerwarteten Boom erfahren, wenn tägliche “Kunstshuttle“ zwischen den beiden Documenta-Standorten verkehren. Aber das ist (zumindest heute noch) reine Fantasie des Autors.
Bis 2017 werden wir noch viel von ihm hören
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Es ist also so, als würde der von Adam Szymcyk kuratierten “Art Basel“ eine Ausstellung in Helsinki oder der “Berlinale“ eine Woche mit Filmvorführungen und Staraufläufen in Madrid vorgeschaltet werden. Klingt irgendwie absurd, aber für die Documenta 14 wird das wohl Realität werden. “Das Leben ist anderswo“, meinte der Documentaleiter, nicht unbedingt ein Kompliment an die Documentastadt Kassel. Ob er sich damit dort Freunde schafft, bleibt abzuwarten. Catherine David hatte es sich dereinst mit den Kasselern verscherzt, als sie sich in einem Interview recht despektierlich über die Provinzialität der nordhessischen Großstadt ausließ, etwa zu einem Geschäft, dass in der - heute längst zugeschütteten - Unterführung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt auch Socken verkaufte. Die Kasseler sind damals kreativ damit umgegangen und haben kurzerhand die “Sockumenta“ als Ergänzung zu Davids Documenta 10 ausgerufen. Vielleicht fällt ihnen ja auch etwas ein, um Adam Szymcyk zu überzeugen, dass das Leben auch in Kassel stattfindet und die Documenta dort verwurzelt sein kann, ohne damit den Blick auf die Welt und das, was dort geschieht, zu verlieren. So kurzsichtig (oder engstirnig) sind die Menschen in Nordhessen nämlich nicht.
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