Kultur
Christkindwiegen - ein Jahrhunderte alter Brauch in Korbach
Weihnachtstradition trotz Pandemie
Christkindwiegen auf der Kilianskirche (Quelle: heldmann.photography)
GDN -
Seit mindesten 1543 gibt es in der nordhessischen Kleinstadt Korbach den Brauch des “Christkindwiegens“ auf dem Turm der Kilianskirche. Auch in diesem Jahr soll trotz Lockdowns nicht darauf verzichtet werden. (Fotos zu diesem Beitrag sind aus dem Jahr 2013.)
Für jemanden, der - wie ich - in der nordhessischen Hansestadt Korbach aufgewachsen ist, gehört das “Christkindwiegen“ zum Heiligabend wie der Weihnachtsbaum und Kartoffelsalat mit Würstchen. Das Wetter konnte sein, wie es wollte, kalt und Schnee oder mild und Regen, gegen 19.30 Uhr am Heiligabend mussten Bescherung und Abendessen erledigt gewesen sein. Dann ging es mit meiner Großmutter und meiner Mutter zu Fuß den knappen Kilometer vom warmen Wohnzimmer zur Kilianskirche. Selbst die Märklineisenbahn oder irgendein anderes heiß ersehntes Geschenk konnten mich nicht davon abhalten.
Pünktlich mit dem Läuten der Glocken um 20 Uhr sah man von unten die ersten Laternen auf dem Umlauf oben auf dem Turm der Kirche leuchten. Nach und nach wurden sie heruntergelassen. Ich versuchte immer zu raten, welche davon meinem Onkel gehörte, der damals zu den Männern zählte, so wie heute seine Söhne, die die 264 Stufen auf den Turm hochgestiegen war und nun mit dem “Chriskindwiegen“ begannen. Zu den schwingenden Laternen wurde ein traditionelles Weihnachtslied gesungen. Dann wurden die Lampen wieder hochgezogen und das Ganze wiederholte sich auf den drei anderen Seiten des Turms.
In seiner 1955 erschienen Stadtgeschichte Korbachs erwähnt Wolfgang Medding das “Christkindwiegen“ als einen “besonderen Korbacher Brauch“, der “bereits 1543 erwähnt wird“, leider ohne Quellenangabe (Korbach - Die Geschichte einer deutschen Stadt, 3. unveränderte Auflage 1988, S. 398). Heute wird diese Tradition von der “Vereinigung der Weihnachtsfreunde“ fortgeführt. Eines der Mitglieder dieser Vereinigung, Martin Krzyzan, hat, wie die Heimatzeitung “Waldeckische Landeszeitung“ berichtete, versucht, die Ursprünge dieses Brauches aufzuspüren. Fündig wurde er in der Kirchenordnung für Pfalz-Neuburg aus dem Jahr 1543, wo das “Christkindwiegen“ als ein verbreiteter Brauch erwähnt werde. Allerdings gehe es nicht speziell um den Korbacher Brauch, den er für viel älter halte, wie ich die Zeitung zitiert.
Was allerdings wohl nur eine Legende sei, ist der immer wieder hergestellte Bezug zur Pest, die damals auch in Korbach wütete. Dieser Legende nach sei sie mit dem “Christkindwiegen“ aus der mittelalterlichen Stadt vertrieben und Korbach danach vor allen Seuchen geschützt gewesen. Vor der aktuellen Seuche, der Corona-Pandemie, hat allerdings auch dieser Brauch die Kreisstadt des Landkreises Waldeck-Frankenberg nicht schützen können. Dort liegt an diesem Heiligabend die 7-Tage-Inzidenz bei 214,2 auf 100.000. Trotz Lockdowns und Ausgangssperre soll aber die Tradition auch in diesem Jahr fortgeführt werden. So werden also wieder am Heiligabend um 20 Uhr und am Ersten Weihnachtstag um 7 Uhr die Laternen das Christkind vom Turm der Kilianskirche wiegen - wenn auch dieses Mal nur wenige Männer auf den Turm dürfen, sie nicht singen werden und die Korbacher aufgefordert wurden, sich nicht um die Kirche zu versammeln.
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