Vermischtes
Missbrauchsskandal: Strafrechtler wirft Behörden Untätigkeit vor
GDN -
Der Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel wirft den deutschen Staatsanwaltschaften vor, die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche nicht genug zu verfolgen. Die Staatsanwaltschaften hätten sich "achselzuckend" abgewendet, sagte Merkel der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt".
Er vermute, dass das moralische Prestige der Kirche die Staatsanwaltschaften zögern lassen habe. Doch damit müsse Schluss sein: "Es wäre skandalös, gäbe es in Deutschland Institutionen, deren Mitglieder de facto und gegen das Recht als strafrechtlich immun behandelt würden", so Merkel. "Kirchenmitarbeiter können strafrechtlich genauso zur Verantwortung gezogen werden wie jeder sonst." Merkel gehört zu einer Gruppe von sechs Strafrechtsprofessoren, die im Oktober Anzeige gegen unbekannt erstattet hatten, nachdem die Deutsche Bischofskonferenz die Missbrauchsstudie vorgestellt hatte. Merkel wirft der katholischen Kirche vor, wichtige Dokumente, die zur Identifikation möglicher Täter führen können, nicht herauszugeben. Darin sieht er eine "Abwehr der zuständigen staatlichen Organe". Das sei in einem Rechtsstaat nicht akzeptabel. Die Strafverfolgung sei auch im Interesse des Staates dringend notwendig. "Wenn der Staat beginnt, die Strafverfolgung selektiv nachlässig zu handhaben, wenn mächtige Institutionen involviert sind, beginnen die Normen, auf denen das Strafrecht ruht, zu erodieren und ihre allgemeine Geltungskraft zu verlieren." Merkel ist emeritierter Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Hamburg. Seit dem Jahr 2008 ist er Mitglied des Deutschen Ethikrats.
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